Wie an jedem Morgen macht sich Maria auf den Weg in die Kirche, weil sie mit Gott ein Wörtchen zu reden hat. Der Aufstieg zur
Igreja do Espírito Santo ist lang und beschwerlich. Dennoch sind auf der Treppe viele Leute unterwegs. Selbst Krüppel nehmen die Mühen des Aufstiegs in Kauf. Sie versprechen sich nicht etwa eine Wunderheilung, sondern ein Almosen von den zahlreichen Passanten. Der Obsthändler José schleppt seine Körbe zur Kirche hinauf, weil er glaubt, daß er mit Gottes Hilfe mehr verkauft. Maria muß auf halber Strecke eine Rast einlegen. Nicht nur ihr Kreislauf macht ihr zu schaffen, auch ihre Augen lassen sie mal wieder im Stich. Im gleißenden Sonnenlicht kann sie die Kirche kaum noch erkennen. Fast erscheint sie ihr wie eine Illusion. Das mag an ihrer Sehschwäche liegen,
oder – wie Maria glaubt – daran, daß der Weg zu Gott nicht eben leicht zu finden ist. Als sie schließlich doch vor den Kirchentoren steht und die Melodien des Sambamusikers Roque hört, beschließt sie, den Himmel noch ein bißchen warten zu lassen. Schon so oft ist Maria auf ihrem Weg zu Gott lieber umgekehrt, um noch ein wenig am Leben zu bleiben. Ein Meister in der Kunst des Wartens ist ihr Ehemann Walter; das hat er erst heute wieder in der Schlange vor dem Postamt bewiesen. Doch an diesem Abend wartet er vergeblich auf seine Frau. Gott will jetzt persönlich mit ihr sprechen.
Der Weg zu Gott führt auf Seite 10